Den digitalen Raum mit Leben füllen

Der erste katholische Medienkongress versprach „Zukunftsszenarien kirchlicher Kommunikation“. Die gab es in Bonn zwar weniger, dafür aber endlich so etwas wie einen Branchentreff kirchlicher und kirchennaher Kommunikationsexperten.
Beim Blick nach vorne wurde klar: Kirche  und Caritas müssen sich gewaltig strecken, um in einer digitalisierten Welt anschlussfähig zu bleiben. Ein twitternder Papst allein genügt da nicht.

Dabei hat sich dieses Bild ins kollektive Gedächtnis eingeprägt: Der greise Papst  Benedikt XVI. veröffentlicht im Juni 2011, umringt von fürsorglichen Klerikern, seinen ersten Tweet. Mit verantwortlich dafür war Prälat Paul Tighe, Sekretär des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel. Sein Vortrag beim Medienkongress machte deutlich, dass die Verantwortlichen im Vatikan die Bedeutung digitaler Medien richtig einschätzen.

Nicht nur der Wert des Accounts @pontifex, mit dem Papst Franziskus heute mehr als 16 Millionen Follower erreicht, ist unbestritten. Tighe wies auch eindrücklich auf den symbolischen Wert der Initiative hin, „der die gesamte Kirche daran erinnert, dass wir uns auf allen Ebenen im digitalen Raum einbringen müssen“. (* Alle Zitate aus dem Redeskript in deutscher Übersetzung).

Kultur sozialer Medien kennen und nutzen

Die Frage, ob soziale Medien nur eine vorübergehende Erscheinung sind, ist im Vatikan definitiv beantwortet. Dort hat man erkannt, dass Kirche einen rasant größer werdenden Teil der Gesellschaft nicht mehr erreichen wird, wenn sie in sozialen Medien nicht präsent ist. Ein Paradigmenwechsel in der Kommunikation ist angesagt, denn dieses Zukunftsszenario ist längst Wirklichkeit. Tighe zitierte eine britische Studie von 2013: Danach formen junge Menschen ihre Identität immer stärker über Online-Interaktionen in sozialen Netzwerken. Religion, ethnische Herkunft, Beruf und Alter sind dabei weniger wichtig als früher.

Kirche muss also präsent sein und zwar so, dass sie „die einzigartige Kultur dieses Mediums anerkennt und auf diese eingeht“. Die dürfte den Leser(inne)n dieses Blogs bekannt sein. In der notwendigen caritas-internen Diskussion, insbesondere mit den „CloseMinds und den Antagonisten, kann man diese Kultur vielleicht über ein Praktikum vermitteln. Dieses Angebot unterbreitete Dr. Paul-Bernhard Kallen von Burda in seiner Keynote dem Medienbischof Gebhard Fürst.

Einfache Sätze und echte Emotionen

Es geht um Authentizität, nicht um Strategie und Technik oder gar um Kommerz. „Wenn unsere Botschaften die Menschen nicht ansprechen, die Interesse zeigen, sie kommentieren und uns dazu befragen, werden sie kein Publikum finden und wir laufen Gefahr, mit uns selbst zu reden“, sagt Tighe. In sozialen Medien funktionieren weder Pressemitteilungen noch Predigten, sondern vor allem der Dialog! Aufmerksamkeit erreichen wir durch die Qualität unserer Beiträge, durch die Bereitschaft zuzuhören und uns mit unseren Positionen und Werten in Debatten einzubringen, die bereits im öffentlichen Interesse stehen. Auch das müssen wir uns caritas-intern immer wieder vor Augen führen.

Unsere Kommunikation wird effektiver sein, so Prälat Tighe, wenn wir weniger auf Worte und Text setzen und uns mehr über Bilder, Videos, Musik und Gesten ausdrücken. Mit der Facebook-Präsenz der Zeitschrift Caritas in NRW, die bislang nur ad experimentum betrieben werden kann, machen wir Erfahrungen, die diese These stützen (dazu später vielleicht einmal mehr). Wir müssen – auch als Caritas – wieder lernen, die Menschen mit einfachen Sätzen, erinnerungswürdigen Bildern und Gleichnissen, authentischem Auftreten und ja, auch mit Emotionen zu erreichen. Schwer genug.

Auch digital authentisch bleiben

Als Caritas besitzen wir ein Leitbild, eine Corporate Identity, einen Claim – all das gehört zu unserem Markenkern. Das macht uns unverwechselbar. Deswegen lohnt es sich, diese Identität auch in sozialen Medien zu kommunizieren und immer wieder zu betonen. Dabei muss die Kommunikation mit unseren Werten und unserer Haltung übereinstimmen. „Wer wir sind und wie wir uns verhalten, wird immer lauter sprechen als unsere Worte“, sagt Prälat Tighe.

Christen sollen die andere Wange hinhalten. Das lässt sich übertragen auf soziale Medien. Wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, auf schrille, gewalttätige unsachliche Kommentare im selben Stil zu antworten. Es geht darum, eine authentische Kultur der Begegnung zu schaffen, anstatt Zwist und Verbitterung zu zulassen. Im Vatikan hat man begriffen, welche Chancen im offenen Dialog liegen. Etwa fünf Prozent der Antworten an den Twitter-Account @pontifex sind schwer beleidigend und manchmal strafrechtlich relevant. Doch die Antwortfunktion wird nicht abgeschaltet.

Der erste katholische Medienkongress hat gezeigt, mit welchem Engagement und an wie vielen Stellen kirchliche Medienarbeit betrieben wird – oft hochprofessionell und wirklich gut gemacht. Bei vielen jungen Journalisten und Medienschaffenden ist eine Bereitschaft zur Kooperation, zum gegenseitigen Lernen und eine Begeisterung für ihre Tätigkeit zu beobachten. Um diese Haltung zu stärken braucht es auch in Zukunft ein Forum für den Austausch, die Begegnung und Inspiration.

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