Mut zur roten Nase. Was Caritas-Kollegin Marion Hellebrandt als Klinikclown über das Leben, das Ausprobieren, das Zuhören und das Scheitern lernt.

Wer Marion Hellebrandt begegnet, trifft nicht nur eine erfahrene Caritas-Mitarbeiterin im Bereich Digitale Transformation aus dem Projekt CariData, sondern auch auf ein leises Lächeln unter einer roten Nase. Zwei Rollen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten – und doch verbinden sie sich in ihrer Person zu einer Haltung, die gerade auch in herausfordernden beruflichen Kontexten positiv wirkt: Es geht um Präsenz, echten Kontakt und vor allem ums mutige Ausprobieren. 

Kontaktclown mit Herz und Verstand 

Marion ist studierte Wirtschaftspsychologin und ausgebildete Klinikclown, sie besucht seit drei Jahren Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Dabei ist sie, wie sie selbst betont, kein Showclown oder “Hahaha-Ballon-Tier-Clown” – sondern ein sogenannter Kontaktclown. Sie kommt nicht, um zu unterhalten, sondern um Kindern, Menschen mit Demenz, Senior*innen, unheilbar Kranken und Sterbenden wirklich zu begegnen. “Je weniger ich versuche, jemand zu sein, desto mehr bin ich da”, erklärt Marion über ihre Clown-Arbeit. Es geht darum, mit der eigenen Präsenz einen Raum zu öffnen, der echte Verbindung ermöglicht – ohne Auftrag, ohne Agenda, aber mit sehr viel Intuition, Neugier, Offenheit und viel Herz, das manchmal selbst tief berührt wird. 

Andere Bilder, neue Ideen, ehrlicher Kontakt 

Marion taucht in die Welten der anderen Menschen ein und findet neue, ungewöhnliche Zugänge zu ihren oft bedrückenden, scheinbar ausweglosen Situationen. “Als Clown gehe ich offen und mit viel Wohlwollen auf die anderen zu und lasse mir viel von den Menschen erklären”, beschreibt Marion ihre Herangehensweise. Diese Haltung ermöglicht ihr, neue Perspektiven auf festgefahrene Situationen zu gewinnen – genau das, was wir uns in Organisationen oft wünschen: andere Bilder, frische Ideen, ehrlicher Kontakt. Mit dem Clown gelingt das auf eine leise, zugewandte Weise, die Türen öffnet, wo rationale Ansätze oft an Grenzen stoßen. 

Ernsthaftigkeit in Leichtigkeit verwandeln – und dabei zum Kern kommen 

Ein besonders bewegendes Beispiel zeigt, wie Marions spielerischer Zugang therapeutische Wirkung entfalten kann: Auf einer Kinderstation trifft sie ein Mädchen, das sich aus der psychologischen Arbeit komplett zurückgezogen hat – alles erschien ihr zu hart, zu schwer, zu viel. Die Psychologin hatte mit einem Bild gearbeitet: Ein “Teufel im Kopf” sei schuld daran, dass das Mädchen sich nicht an ihren Diabetes-Plan halten könne. Doch der Zugang schien versperrt. Als Marion mit ihrem Clownpartner ins Zimmer kommt, ändert sich die Situation. Ganz spielerisch, im Gespräch über Brüder und Berufswünsche, öffnet sich das Mädchen und erwähnt von selbst den Teufel. Es entsteht ein spontanes Spiel – der Teufel wird gesucht, mit viel Getue hinter dem Ohr hervorgezogen und auf die Hand gesetzt. Gemeinsam überlegen sie, was mit ihm geschehen soll. Die Entscheidung: runterspülen. So marschiert das Mädchen zur Toilette und wirft ihn weg. 

Tage später meldet sich die Psychologin mit einer überraschenden Nachricht: Das Mädchen hat den Teufel gezeichnet – ein bedeutsamer Schritt in ihrer Therapie war möglich geworden, nicht durch Druck, sondern durch Spiel. Das ist die Kraft dieser Arbeit: Ernsthaftigkeit in Leichtigkeit zu verwandeln und dabei doch zum Kern vorzudringen und Menschen tiefgreifend zu berühren. 

Der Clown: naiv, urteilsfrei und voller Liebe 

Der Clown nimmt die Welt so an, wie sie ist. Wenn ein dementer Mensch seine Schuhe in den Kühlschrank stellt, reagiert der Clown nicht mit Korrektur, sondern mit Mitgefühl – und stellt seine eigenen Schuhe daneben. “Ach, da gehören die also hin.” Was für andere falsch erscheint, ist für den Clown einfach eine neue Realität, die ohne Wertung angenommen wird. 

Diese besondere Haltung lässt sich auch in andere Lebensbereiche übertragen – selbst in die Arbeitswelt. Marion hat genau das getan: In einem früheren Team legte sie eine rote Nase in die Mitte des Tisches. Wenn Diskussionen zu eskalieren drohten, durfte jemand die Nase aufsetzen – ein stilles Signal: Wir verlieren uns gerade. Lass uns zurückfinden. Humor als sanfter Spiegel und Wegweiser. 

Mut, Neugier und Freude am Scheitern als Türöffner 

Was braucht es für diese Art der Begegnung? Mut. Neugier. Und vor allem: Freude am Scheitern. So beschreibt Marion selbst, was für sie “Ausprobieren” bedeutet. Einmal mehr passt das zum Clown: Wer den Clown lebt, lebt auch das Scheitern – aber nicht als Versagen, sondern als Türöffner, agiert komplett ohne Vorurteile oder Hierarchien. Jeder Stolperer, jedes Missgeschick lockert die Atmosphäre und wird zur Einladung zum Lachen, zu neuen Perspektiven, zum Innehalten, zum neuen Versuch, in Kontakt zu kommen. 

“Der Clown bringt nichts mit. Kein Ziel, keine Lösung. Er bringt nur sich selbst. Und wird dadurch manchmal zum Schlüssel”, sagt Marion. Ihre Arbeit als Clown zeigt eindrücklich: Ernsthafte Themen brauchen nicht immer ernste Zugänge. Manchmal braucht es nur eine „rote“ Nase, eine überraschende Frage, einen unerwarteten Impuls – und den Mut, ihm zu folgen. Eine Inspiration, die vielleicht gerade auch in der Caritas-Arbeit neue Wege eröffnen kann. 

Stephanie Agethen / Johanna Kötter

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