Stell Dir vor: Du steckst in einer Krise, verlierst Deinen Job, hast Kinder zu versorgen und bist unsicher, welche Unterstützung Dir zusteht. Die Recherche gleicht einem Hindernislauf – verworrene Internetseiten, lange Wartezeiten bei Behörden, schwer erreichbare Beratungsstellen.
Die Herausforderung: Eine komplexe Leistung verständlich machen
Die Zahlen bestätigen diesen Bedarf: Monatlich suchen fast 100.000 Menschen digital Unterstützung über die Plattform das-steht-dir-zu.de und dem Bürgergeldrechner der Caritas NRW. Diese hohe Nachfrage verdeutlicht nicht nur den immensen Informationsbedarf, sondern auch das zentrale Anliegen der Caritas: Menschen in schwierigen Lebenslagen zu befähigen, ihre eigene Handlungsfähigkeit zu stärken.
Michaela Hofmann, Expertin für Armutsfragen beim Diözesancaritasverband Köln, erklärt: „Oft sind die Fragen leicht zu beantworten, aber die Informationen im Netz schwer zu finden. Selbst die Beratungsstellen sind nicht immer gut auffindbar. Außerdem wünschen sich die Nutzer*innen häufig direkte Antworten bei ihren konkreten Fragestellungen – und der Kontakt muss möglichst niederschwellig sein.“
Eine digitale Vision entsteht
Hofmanns ursprüngliche Vision entstand also direkt aus dem Kontakt mit Betroffenen. Menschen kontaktierten sie sehr häufig über die Website mit individuellen Fragen, die oft nicht mit standardisierten Antworten zu lösen waren. Die Sprache offizieller Dokumente – formal und juristisch – verschließt sich vielen Hilfesuchenden.
Aus diesen Gesprächen entsteht eine zündende Idee bei Hofmann: „Wir sollten diese Menschen digital an die Hand nehmen – mit einem KI-gestützten Chatbot, der alle ihre weiterführenden Fragen direkt auf der Plattform beantwortet und sie im nächsten Schritt gezielt an die richtigen Stellen verweist.”
Initiativen des DCV bringen die Kooperationspartner zusammen
Die Umsetzung dieser Idee wurde durch die Strukturen der Stabsstelle Digitalisierung des Deutschen Caritasverbandes (DCV) ermöglicht: Im Rahmen einer Datensprechstunde des Civic Data Lab, an dem der DCV ebenfalls beteiligt ist, stellten sich u.a. drei Datenwissenschaftlerinnen der Scieneers GmbH vor. Das Beratungsunternehmen hatte beim Civic Coding Innovationcamp mit der Entwicklung eines KI-gestützten Assistenten überzeugt, der komplexe behördliche Informationen verständlich aufbereitet. Das Digitalisierungsteam caritas.next erkannte das Potenzial: Nach sorgfältiger Prüfung verschiedener Möglichkeiten initiierten sie die Zusammenarbeit zwischen Scieneers und der Caritas NRW, um den KI-Chatbot zu verwirklichen. Für Hofmann war dies der Beginn eines besonderen Entwicklungsprozesses: „Ich war so positiv überrascht und dachte – Mensch, da geht jetzt mal eine Türe auf, da gibt es jetzt einen Zugang gibt zu technischen Themen, die ich sonst erstmal nicht beherrsche.”
Innovative Zusammenarbeit für eine digitale Lösung
Die Entwicklung des Chatbots bringt besondere Herausforderungen mit sich: Der Datenschutz muss gewährleistet, Rechtsfragen geklärt und Informationen kontinuierlich aktualisiert werden. “Ich hatte mir das viel einfacher vorgestellt – in meiner Vorstellung sitzen da ein paar Menschen in der Garage und entwickeln zackzack einen Chatbot”, erläutert Hofmann.
Für eine gute Entwicklung aber braucht es eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten – Scieneers für die technische Entwicklung, Caritas NRW für das inhaltliche Fachwissen und caritas.next als Berater im Umsetzungsprozess. „Die agile Zusammenarbeit dieses besonderen Projektteams zeichnet sich durch Fachlichkeit, Wissensaustausch aus verschiedenen Perspektiven, kreative Umsetzungsideen und eine starke Bereitschaft aus, gemeinsam die Sichtweise der Nutzer*innen einzunehmen“, betont Hofmann.
Erkenntnisse aus dem Entwicklungsprozess und die Rolle von caritas.next
Michaela Hofmann erlebt das Team von caritas.next als Vermittler zwischen Fachlichkeit und Technologie: “Das Team hat Brücken gebaut, über die wir permanent gehen können.” Statt Kompetenzgerangel erlebe sie in diesem Projekt ein “Miteinander-Tun”, in dem alle ihre Expertise einbringen. Gerade diese interdisziplinäre Zusammenarbeit und der Fokus auf die Bedürfnisse der Nutzer*innen treiben den Prozess voran, ist Hofmann überzeugt: „Wir entwickeln Lösungen für Probleme zusammen. Sofort setzt sich bei jedem der Kopf in Gang, um zu schauen, wie man diese gemeinsam lösen kann.” Ebenfalls erfreulich sei, dass durch die Begleitung durch caritas.next das Projekt kontinuierlich weiter vorangebracht wurde: „Wie oft schon hat man Prozesse erlebt, die irgendwann stagnieren, weil keiner so richtig weiterweiß oder die Ressourcen fehlen“, sagt Hofmann. „Mit next haben wir jetzt ein Team, dass sich kümmert und das begleitet. Das ist ein totaler Fund: Ich finde es phänomenal und das Team aufzusetzen ist das Beste, was dem deutschen Caritasverband seit langem eingefallen ist. Das ist ein großer Schatz.“
Mehr als nur ein Technologie-Projekt
Für Hofmann geht es um weit mehr als einen technischen Fortschritt. Im Kern steht die Idee der Selbstermächtigung: „Jeder Mensch soll befähigt werden, sein Leben im Griff zu haben, Resilienzen zu entwickeln und Strategien umsetzen.” Der Chatbot soll keine Beratung ersetzen, sondern Menschen befähigen, ihre Rechte zu verstehen und erste Schritte selbstständig zu gehen.
Ausblick: Caritas-Chatbot als Wegbereiter für ein Zukunftsmodell
Der Caritas-Chatbot bietet Antwort auf Fragen zum Bürgergeld und leitet bei komplexen Anliegen direkt an persönliche Beratungsangebote weiter. Hofmann sieht darin großes Potenzial: “In den kommenden Jahren könnte das Projekt ein Modell für die Ergänzung der Sozialberatung durch KI in Deutschland werden und den Zugang zu Sozialleistungen grundlegend verändern.”
Die erfolgreiche Umsetzung solcher digitalen Innovationsprojekte zeigt, wie wichtig die Arbeit von caritas.next ist. Um das Modell, für das der Chatbot steht, weiterzuentwickeln und den Betrieb des Chatbots längerfristig zu ermöglichen, arbeitet das Team aktuell an einem verbandlichen Konsortium. Interessierte Caritasverbände können sich unter next@caritas.de über Beteiligungsmöglichkeiten informieren.
Mehr unter: www.das-steht-dir-zu.de (Im Laufe des 1. Quartals 2025 mit integriertem KI-Chatbot)
Drei Tipps für digitale Innovator*innen
Für Kolleg*innen, die ähnliche Wege gehen möchten, hat Michaela Hofmann drei Ratschläge:
1. Kontaktiere caritas.next, um die Idee zu konkretisieren, z.B. über die Sprechstunde
2. Suche Unterstützung in Deiner Organisation, setze es nicht allein um
3. Das Wichtigste: Verliere nie den Spaß an der Entwicklung 😊