Caritas Coffee Call – eine Bilanz

Wie kann es gelingen, mehrere hunderttausend hauptamtliche und eine halbe Million ehrenamtliche Mitarbeitende aus ganz Deutschland zu vernetzen? Der Caritas Coffee Call bot dafür über ein Jahr lang eine digitale, niedrigschwellige und motivierende Lösung. Mit welchen Herausforderungen wir dabei zu kämpfen hatten, was wir daraus lernen und warum wir den Coffee Call trotz des unglaublich guten Feedbacks vorerst einstellen, liest du in diesem Blogbeitrag.

Von Teresa Wieland und Maxim Nopper-Pflügler

Einfache Aktionen, die das Kampagnenthema befördern und für alle im Caritas-Verband umsetzbar sind: Das ist keine leichte Aufgabe, vor der wir im Kampagnen-Team des Deutschen Caritasverbandes jedes Jahr stehen. Zum Kampagnenmotto „Das machen wir gemeinsam“ aus dem Jahr 2022 haben wir uns deshalb gefragt: Wie gelingt es einen großen und heterogenen Verband mit mehreren hunderttausend Mitarbeitenden und etlichen Ehrenamtlichen aus knapp 25.000 ganz unterschiedlichen Einrichtungen zusammenzubringen? Die Lösung: Der „Caritas Coffee Call“. Der Weg zu dieser Lösung war jedoch nicht immer einfach.

1. Herausforderung: Zusammenhalt erlebbar machen unter tausenden Menschen

Schon zu Beginn unserer Überlegungen war uns bewusst, dass wir vor einer großen Herausforderung stehen. Ein Verband, in dem fast 700.000 Menschen hauptamtlich und mehrere Hunderttausend ehrenamtlich arbeiten und das in knapp 25.000 Einrichtungen, in so unterschiedlichen Bereichen wie Altenpflege und Kinderbetreuung, psychologischer Beratung und Notfallversorgung und das über ganz Deutschland verteilt. Wie soll ein solcher Verband all diese Mitarbeitenden miteinander verknüpfen? Die Caritas ist nun mal kein Konzern.

Dennoch: Zusammenhalt in der Caritas erfahrbar machen und das über die örtlichen Grenzen hinaus – das war unser Ziel. Und: Dieses Angebot soll für alle Personengruppen machbar sein, die sich bei der Caritas engagieren. Ein Event in Präsenz kam dafür nicht in Frage. Stattdessen war klar: Wir müssen die Vorteile der digitalen Welt nutzen. Gleichzeitig sollte es eine spielerische Kontaktmöglichkeit geben, ohne einen konkreten Erfolgsdruck. In der analogen Welt entstehen solche Kontakte oft in den Kaffeeküchen der Einrichtungen. So entstand die Idee, diese Situation in den virtuellen Raum zu übertragen: Die Caritas Coffee Calls – eine 15-minütige Kaffeepause mit einem anderen der rund 1,2 Millionen Menschen aus der Caritas.

2. Herausforderung: Technik, die für alle funktioniert

Spätestens in der Pandemie haben wir gelernt, dass virtuelle Aktionen gut funktionieren können – zumindest, wenn Software und Technik funktionieren. Klar war, dass die technischen Voraussetzungen bei unserer heterogenen Zielgruppe sehr unterschiedlich sind. Hauptamtliche in Bürojobs haben PCs oder Laptops. Das Personal in einer Jugendhilfeeinrichtung aber teilt sich oft einen Computer. Und manche Ehrenamtliche haben noch nie an einer Videokonferenz teilgenommen und kennen weder Skype, Zoom noch Teams. Diese Überlegungen waren bei der Auswahl eines Softwareherstellers wichtig, der uns unterstützen sollte. So sollte unsere Software nicht nur Teilnehmer:innen einigermaßen sinnvoll zusammenlosen (“matchen“), sondern auch ein Videokonferenz-Tool zur Verfügung stellen. Und siehe da: Die Mystery Minds GmbH vermarktet mit ihrem Tool „Mystery Coffee“ ein Produkt, das unseren Anforderungen zu entsprechen scheint.


Mein erster Call war toll. Ich bin in Hessen gelandet und habe einiges über das Krankenhauswesen gelernt. Wer gerne neue Menschen und Fachbereiche kennenlernt, wird den Coffee Call lieben. Ich bin gespannt, wem ich als nächstes begegne.

Caritas-Coffee-Call-Teilnehmerin Franziska Latta
vom Deutschen Caritasverband

Also ging es los: Nach welchen Kriterien sollen Menschen zusammengelost werden? Denn für das Matching gibt es viele Möglichkeiten. Von Berufsgruppen über Standorte und Einrichtungen oder die Länge der persönlichen Zugehörigkeit zu einem Arbeitgeber oder Angaben von Tagen und Uhrzeiten: Alles war möglich. Ziel war es den Teilnehmer:innen ein unkompliziertes Kennenlernen zu ermöglichen, dass über übliche Wege nicht möglich ist (Man fährt nicht „zufällig“ aus dem Wiesental im Schwarzwald an die Flensburger Förde). Deshalb haben wir uns für das Matching an möglichst einfachen Kriterien orientiert. So blieb die Anmeldung niedrigschwellig und wir erhoben nur die nötigsten Daten – was auch aus Datenschutzgründen sinnvoll ist.
Für das Matching maßgeblich war in erster Linie die Erreichbarkeit der Teilnehmenden. Um die Terminfindung zu erleichtern, konnten alle angeben, an welchen Wochentagen sie für einen Call grundsätzlich erreichbar sind und bekamen dann Personen zugelost, die ebenfalls einen dieser Wochentage angegeben hatten. Wer z.B. wegen Urlaub aussetzen wollte, konnte auch das eintragen und wurde im entsprechenden Zeitraum gar nicht gematcht. Außerdem wollten wir über die Angabe der ersten beiden Ziffern der Postleitzahl ausschließen, dass Personen aus dem eigenen Verband gematcht werden. Gerade zu Anfang geschah es dennoch immer wieder, dass direkte Kolleg:innen miteinander in Verbindung gebracht wurden. Dies änderte sich jedoch mit zunehmender Teilnehmer:innenzahl, da sich somit die Matchingkombinationen automatisch erhöhten.

Im weiteren Verlauf machte uns die Videotool-Frage aber viel mehr Kopfzerbrechen. Denn je nach Betriebssystem, Verband oder Internetzugang via Handy funktionierte mal die eine technische Lösung, mal die andere. Ein einfaches Videotool, das sicher und vor allem bei wirklich allen Nutzern funktioniert, konnte unser Dienstleister leider bis zum Schluss nicht anbieten. Vereinzelte Teilnehmer hatten immer wieder Probleme, auch nachdem wir auf eine quelloffene Lösung umgestiegen waren. Die einzige Lösung: Im Zweifel zum Telefonhörer greifen und den Call oldschool durchführen. Auch wenn das für die Teilnehmenden erst einmal frustrierend war: Auch diese Telefonate waren spannend und unterhaltsam.

3. Herausforderung: Teilnehmer gewinnen und für einen Coffee Call motivieren

Selbst wenn die Technik steht und für alle Mitarbeitenden im Verband funktioniert: Eine Frage bleibt: Wie können wir aus der Verbandszentrale heraus alle Mitarbeitenden zur Teilnahme am Caritas Coffee Call einladen und gewinnen. Wen können wir erreichen, wer wird davon überhaupt erfahren? Wie werden die Mitarbeitenden und auch ihre Vorgesetzten auf diese Einladung reagieren?


Die Idee ist mega. Praktiker und Theoretiker kommen auf eine Art und Weise in den Austausch, den es nicht mal auf einer Tagung in Präsenz gäbe. Wenn man ein bisschen über den Tellerrand guckt, kann man aus allen Bereichen etwas mitnehmen, dass die eigene Arbeit nach vorne bringt. Den Blick für den eigenen Verband zu schärfen, in dem man quasi „ganz privat“ Einblicke in andere Verbände und deren  Schwerpunkte und Abläufe erhält, ist unbezahlbar.

Anonymes Feedback

Die bisherigen Kommunikationskanäle des Deutschen Caritasverbands erreichen nur einen verschwindend geringen Teil der Kolleg:innen. Deshalb mussten auch neue Wege ausprobiert werden. Neben klassischen Flyern, die verschickt und in den Ortsverbänden und Einrichtungen ausgelegt wurden, waren dies: Anzeigen in Mitarbeitendenzeitschriften (wo es sie denn noch gibt), in den Verbandszeitschriften „neue caritas“ und „Sozialcourage“, verschiedene Newsletter und Social-Media-Anzeigen.

Weil aber jede dieser Maßnahmen jeweils nur einen Bruchteil der zu erreichenden Menschen erreicht, war die Kommunikation rund um die Coffee Calls vor allem auf Multiplikator:innen im Verband angewiesen. Um diese verbandsinterne Flüsterpost anzugregen, haben wir zwei Werbeaktionen ersonnen: Gleich zum Start des Caritas Coffee Calls verschenkten wir 125 personalisierte Kaffeetassen an die ersten 125 neu angemeldeten Teilnehmenden (passend zum 125-jährigen Jubiläum der Caritas). Im Herbst 2022 verschenkten wir abermals 125 Gutscheine für ein Päckchen Kaffee oder Tee an die ersten, die sich bis zum Jahresende neu anmeldeten. Diese kleinen Danke-Aktionen sorgten auch für mehr Sichtbarkeit vor Ort und dafür, dass sich die Coffee Calls herumsprachen.

1. Learning: Diese Vernetzungsleistung läuft nicht „nebenher“ sondern braucht Einsatz

Die geschilderten Herausforderungen machen bereits deutlich: Auch wenn sich die Grundidee des Coffee Calls simpel anhört, braucht es einiges an Einsatz, um so ein Konzept wirklich verbandsweit auszurollen und mit Leben zu füllen. Nicht nur die recht aufwendige Technik geht ans Budget. Auch sinnvolle und zielgerichtete Werbemaßnahmen kosten einiges und bringen dennoch nicht immer den gehofften Effekt. Außerdem war allein für die Koordination und für die Ausarbeitung der Details zeitweise das Kampagnen-Team des Deutschen Caritasverbands ausgelastet.


Aus den geplanten 15 Minuten wurden schnell 30. Denn es ist super spannend über den Coffee Call Kolleg:innen per Video zu treffen, quer durch Deutschland und quer durch alle Berufsgruppen.

Caritas-Coffee-Call-Teilnehmer Rüdiger Dreier
von der Caritas Münster

Aber selbst, wenn alles steht und läuft, braucht es weiterhin einen nicht unerheblichen Ressourceneinsatz. Denn erst allmählich hat sich das Wissen um den Caritas Coffee Call im Verband und seinen Gliederungen und Einrichtungen herumgesprochen. Das macht kontinuierliches Marketing, kontinuierliche Kommunikation, kontinuierlichen (und bei steigendem Erfolg, steigenden Teilnehmendenzahlen auch aufwendigeren) technischen wie inhaltlichen Support notwendig.

Da der Coffee Call im Jahr 2022 aufgrund der Jahreskampagne und des Verbandsjubiläums als Pilot-Projekt mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet war, konnten wir diese notwenigen Ressourcen zum Glück einbringen. Nur leider ist diese Finanzierung damit auch auf das im Mai 2023 auslaufende Jahr begrenzt.

2. Learning: Am Caritas Coffee Call teilzunehmen hat sich gelohnt

Am Anfang waren viele skeptisch: Was bringt mir ein 15-minütiges Telefonat mit irgendjemandem aus dem Verband? Wer aber am Coffee Call teilgenommen hatte, findet schnell lobende Worte. In unserer abschließenden Evaluation kommen zwei Drittel der Teilnehmenden zu einem durchwegs positiven Fazit. 68 Prozent zeigen sich grundsätzlich zufrieden. Manche Teilnehmenden finden, das war eine „großartige Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand zu blicken“, andere halten den Coffee Call für eine „tolle Aktion“ oder ein „super Format“, wieder andere berichten in der Evaluation von „tollen Gesprächen mit Kollegen aus sehr verschiedenen Fachdiensten“, von „ausnahmslos guten und netten Gesprächen“.

Dieses Feedback zeigt: Entgegen der Befürchtung haben sich die Coffee Calls für die Teilnehmenden gelohnt. Das zeigt sich auch daran, wie viele der gematchten Kaffeepausen stattgefunden haben: Im Durchschnitt wurden die Teilnehmenden etwa fünfmal gematcht, einige aber auch 15, 16 oder 17-mal. Und: Die meisten gematchten Calls haben auch tatsächlich stattgefunden. Nur 26 Prozent der Teilnehmenden berichten davon, dass die Mehrzahl ihrer Calls aus irgendwelchen Gründen ausgefallen sind. Offenbar waren die Coffee-Calls-Teilnehmenden also auch motiviert und engagiert dabei.

3. Learning: Ein Jahr ist nicht genug

Was das Feedback aus unserer Evaluation ebenfalls zeigt: Viele wünschen sich, dass der Coffee Call auch nach Ende des geplanten Zeitraums fortgesetzt werden. Da der Caritas Coffee Call als Testballon gedacht war, freut uns dieses Ergebnis sehr. Gleichzeitig zeigt sich die Schwierigkeit, dass bei solchen Projekten eine Anschlussfinanzierung nicht gesichert ist. Denn mit Blick auf die Teilnehmenden-Zahlen zeigt sich: Ein Jahr war nicht genug Zeit, um alle oder zumindest nahezu alle Menschen im vielfältigen Caritasverband zu erreichen. Zwar wurden insgesamt über 5.000 Kaffee-Pärchen gematcht, aber gemessen an der tatsächlichen Anzahl haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeitender hat der Coffee Call damit natürlich nur einen kleinen Teil der Menschen im Verband erreicht.


Bitte lasst den Coffee Call weiterlaufen! Er hat mir den Horizont erweitert, interessante und gute Kollegen und deren Arbeitsbereiche aufgezeigt, es sind sogar längere Kontakte und Kooperationen entstanden! Ich habe schon ganz viel Werbung für den Coffee Call gemacht und viele wollten sich auch anmelden und mitmachen. Eine wahrlich gelungene und tolle Idee! Bitte unbedingt weiterführen! 🙂
…und danke!!!

Anonymes Feedback

Um also an den bisherigen Erfolg anzuschließen und diese Aktionsform noch mehr Menschen im Verband zukommen zu lassen, bräuchte es mehr Zeit. eine zuverlässigere Technik und mehr Ressourcen. Aber auch mehr Unterstützung in den Verbandsgliederungen und Einrichtungen wäre für den langfristigen Erfolg wichtig. Denn nur diese können ihren jeweiligen Mitarbeitenden letztendlich die Teilnahme ermöglichen und dafür werben.

Da viele dieser Voraussetzungen derzeit leider nicht erfüllt sind, müssen wir den Caritas Coffee Call leider vorerst auf Eis legen. Zu hoch sind die anstehenden Kosten, zu ungewiss ist aktuell die Zukunft des bestehenden Konzepts. Aber: Wir nehmen die Learnings aus einem Jahr digitaler Vernetzung mit und versuchen, an anderer Stelle ähnliche Vernetzungsangebote zu schaffen.
Wer sich a weiterhin mit den Kolleg:innen aus den unterschiedlichsten Bereichen austauschen möchte, dem empfehlen wir, auf bestehende Möglichkeiten auszuweichen: Vernetzt euch untereinander. Nutzt das CariNet, wenn Ihr andere Leute in der Caritas kennenlernen wollt. Zu fast jedem Thema gibt es dort eine eigene Arbeitsgruppe. In der Carinet-Arbeitsgruppe „Caritas-Kampagne“ zum Beispiel erfährst du, wer hinter der Jahres-Kampagne und dem Caritas Coffee Call steckt. Hier kannst du dich auch mit anderen Kampagnen-Macher:innen oder -Unterstützer:innen austauschen.

Und wenn auch das nichts hilft: Greif‘ einfach zum Telefonhörer und ruf an. Denn der Caritas Coffee Call zeigt, dass schon ein 15-minütiges Gespräch – egal mit wem – uns allen sehr weiterhelfen kann.

1 Comment

  1. Hallo Teresa, hallo Maxim,

    spannende Einblicke in ein sehr sinnvolles Vernetzungsformat. Könnt ihr abschätzen, welche Mittel es benötigen würde, das Format fortzusetzen? Und plant ihr, das Setup so zu dokumentieren, dass es vielleicht auf Landesebene adaptiert werden kann?

    Viele Grüße,
    Christian

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