Digitaler Schub für Flüchtlingspatenschaften

Bei der Caritas-Aktion „Werde Türöffner für Flüchtlinge auf Jobsuche” spielten 1&1, Facebook, Twitter und WhatsApp wichtige Rollen.

Wenn die Caritas mit einer einwöchigen Aktion online 1,6 Millionen Menschen erreicht, ist eigentlich alles fein: Gut gemacht, Schulterklopfen, Mission accomplished. Und ja, wir Onliner waren stolz auf das, was wir im November 2016 erreicht haben. Gleichzeitig sind wir Profis (und ehrgeizig) genug um zu wissen, dass an einigen Punkten viel Luft nach oben war. Deshalb hier unsere wichtigsten Learnings – auch als Reminder an uns selbst.

Dieser Artikel ist gleichzeitig unser Beitrag zur 29. NPO-Blogparade, bei der OpenTransfer und Nonprofits-Vernetzt fragen, was Patenschaftsprojekte nach vorne bringen kann.

In unserem Fall ging es um Patenschaften zwischen Geflüchteten und Ehrenamtlichen (=Tandems), die unter anderem im Rahmen des Bundesprogramms „Menschen stärken Menschen” geschlossen wurden. (Hannes Jähnert mit seinen Erfahrungen dazu beim Deutschen Roten Kreuz). Anliegen unserer Türöffner-Aktion war, die Jobsuche von Geflüchteten auf einer Aktionswebsite öffentlich zu machen und die Tandems von einer Crowd im Social Web unterstützen zu lassen.

Nie wieder ohne Backup
(oder: Warum wir 1&1 nicht weiterempfehlen)

Startseite der Türöffner-Website

So sah die Aktionswebsite im November aus.

Das Unangenehmste zuerst: Vier Wochen nach der Aktion ist die Website nicht mehr erreichbar. „Fehler 503 – Service unavailable.” Ein Anruf bei unserem Hoster 1&1 bringt zunächst keine Klarheit. Man kümmere sich, heißt es. Ein paar Tage später erhalten wir diese Mail: „Leider kam es bei einem Software-Update unserer Infrastruktur zu unerwartetem Datenverlust des Managed Cloud Hosting. Trotz der ausgiebigen Tests im Vorfeld, bei welchen keine Auffälligkeiten bestanden, kam es bei Ihrer Instanz zu dem unerwarteten Verhalten. Aktuell gibt es unsererseits leider keinen Workaround zur Problematik und nur ein erneuter Upload der Daten kann die Dateien wiederherstellen.”

Wir schlucken trocken und werden blass bei der Vorstellung, dieser Daten-GAU wäre während der Aktion passiert – als das Bayerische Fernsehen, der SWR, die Hamburger Morgenpost und andere reichweitenstarke Medien über unsere Türöffner berichteten. Immerhin hatten wir innerhalb von drei Wochen mehr als 50.000 Seitenaufrufe.

Rein rechtlich ist alles save. Die AGBs von 1&1 lassen keinen Zweifel: Für Backups sind die Kunden verantwortlich – und unsere letzte Datensicherung haben wir beim Start der Aktion gemacht (weshalb die Aktionswebsite aktuell auch nur den Stand vom November 2016 zeigt). Ein Fehler, der uns definitiv nicht mehr passieren wird. Mittlerweile haben wir unsere Blogs auf die Server eines Mitbewerbers von 1&1 umgezogen. Dort können wir einen Zeitpunkt definieren, auf den die Daten zurückgesetzt werden, wenn mal alles schief geht.

Und da war aus unserer Sicht bei 1&1 der Fall. Dafür sprechen mehrere Dinge: Wir wurden weder vorab über das „systemrelevante Update” von 1&1 informiert (Hey Leute, sichert nochmal eure Daten!) noch danach, als unsere Website nicht mehr erreichbar war (Sorry, uns ist da was Dummes passiert!). Hinzu kommt, dass uns auch ein aktuelles Backup nichts geholfen hätte, denn 1&1 benötigte zwei Wochen, um uns den Zugang zum Server wieder frei zu schalten.

Merkposten: Lies die AGBs genau und sichere dich mehrfach gegen den Verlust deiner Daten ab.

Plattform statt Isolation
(oder: Wir sind offen für alle guten Willens)

Einige Tandems kamen über “Start with a friend” zur Caritas-Aktion.

Vor Jahren hätte „die große Caritas” die Aktion „for members only” geplant und umgesetzt. Doch in der digitalen Welt sind auch wir uns längst nicht mehr genug. Unser digitales Selbstverständnis setzt auf Partnerschaften mit anderen, die für dieselben Anliegen einstehen. Deshalb konzipierten wir die Türöffner-Aktion – ähnlich wie Uber oder Airbnb – als offene Plattform. Um für möglichst viele anschlussfähig zu sein, haben wir das Branding des Auftritts zurückgenommen und beispielsweise das Caritas-Logo nur dezent im Footer eingebaut. Dieser Ansatz machte es potenziellen Partnern leicht, in den eigenen Reihen für die Aktion zu werben. So kamen einige der 38 Tandems (= Geflüchtete plus ehrenamtlicher Begleiter) zum Beispiel über die Organisationen „Start with a friend”. Es steht der Caritas (und anderen größeren NGOs) gut zu Gesicht, als „digitale Möglichmacherin” aufzutreten, denn so eine Aktion gibt es nicht zum Nulltarif (Kosten entstehen u.a. für Design, Programmierung, Online-Marketing, Hosting, …). Kleinere Organisationen können das Geld in der Regel nicht aufbringen.

Merkposten: Ist dir ein Anliegen wichtig, stelle deine Marke hintenan und suche dir Kooperationspartner.

Zu früh, zu viel, zu oberflächlich
(oder: Warum interne Kommunikation nie allen gerecht wird)

Alle wichtigen Infos zur Aktion gab es auch auf Englisch und Arabisch.

Unter den Kommunikatoren des Verbandes wird diskutiert, wie kampagnenfähig die Caritas ist. Darauf gibt es auch nach der Aktion Türöffner keine einfache Antwort. Allerdings sind uns zwei Dinge (wieder einmal) klar geworden: Wenn eine Kampagne erfolgreich sein soll, musst du deine Idee gut kommunizieren und potenzielle Protagonisten begeistern.

Was die interne Kommunikation anbelangt, haben wir den Stein der Weisen noch nicht gefunden. Vermutlich gibt es ihn gar nicht, denn die Interessen einzelner Akteure sind so unterschiedlich, dass der Absender (in dem Fall wir Onliner) nie bei allen mit seinem Anliegen punkten wird. Die einen fühlen sich gegängelt, wenn die aus der Bundeszentrale mal wieder mit einer ihrer „genialen Ideen” um die Ecke kommen. Die anderen ärgern sich, so früh über eine Aktion informiert zu werden, die noch gar nicht bis ins Detail durchgeplant ist. Die Dritten wären liebend gerne dabei gewesen – wenn sie nicht so spät erst informiert worden wären …

Auch das mit dem „Begeistern” ist so eine Sache – und mit E-Mails nur bedingt möglich. Deshalb griffen wir zum Hörer und riefen die Verantwortlichen der Patenschaftsprojekte an. Doch auch dieser direkte Kontakt zündete nicht bei allen – mit inhaltlichen Bedenken und der „enormen Arbeitsbelastung” erstickten viele unsere Flamme. Dabei hatten wir das Konzept zu dem Zeitpunkt längst umgestrickt und die Kolleg(inn)en weitestgehend aus der Verantwortung für die Aktion vor Ort rausgenommen. Am Ende blieb einzig der Wunsch: Leitet die Information an die Paten weiter. Die sollen mit den Flüchtlingen zusammen entscheiden, ob sie mitmachen wollen oder nicht. Aber selbst diese Bitte blieb bei einigen unerhört – und somit wurden die beruflichen Kolleg(inn)en zum Flaschenhals.

Merkposten: Willst du Akteure begeistern, musst du ihnen zeigen können, wie Deine Aktion(swebsite) aussieht.

Relevanz durch Targeting
(oder: Wofür die Datenkrake Facebook nützlich sein kann)


Jeder kennt jemand, der jemand kennt. Diese Hypothese stand hinter der Türöffner-Aktion, bei der wir im Kern auf das Crowdsourcing bei Facebook und Twitter setzten. Wir verbreiteten die Videos und Texte der Flüchtlinge über ihre Jobsuche mit den Paten in sozialen Netzwerken – und erweiterten damit den Radius der Tandems.

Einen erheblichen Anteil daran hatte das Targeting bei Facebook. Erstmals nutzten wir bei unseren Postings auf Caritas Deutschland diese Funktion, um die Menschen zu erreichen, die in der Nähe der Tandems leben und ihnen durch persönliche Kontakte weiterhelfen können. Die Vorgehensweise bewährte sich. Obwohl die einzelnen Aufrufe zur Unterstützung zum Teil nur nur wenigen Menschen angezeigt wurden, erhielten wir mehr als 150 Tipps und 15 konkrete Jobangebote innerhalb der Aktionswoche.

Merkposten: Ortsbezogenes Crowdsourcing ist technisch kein Problem mehr.

User-Generated-Content
(oder: Wie auch ältere Ehrenamtler uns Videos schicken konnten)

Video kann heute jeder. Einzige Voraussetzung: Internet + Smartphone. Mit dieser Vorgabe haben wir die Tandems in die Aktionswoche geschickt. Aber wie schaffen es diese Videos (Marke „Quick&Dirty”) auf die Aktions-Website? Web-Formular, E-Mail-Versand oder Instagram – alles viel zu umständlich, oder nicht auf jedem Smartphone zu handhaben. Es musste einfacher gehen. Also: Wie würde mir mein Opa ein Video zukommen lassen? Klar, VHS-Kassette in einen Umschlag und dann zur Post – oder eben mit WhatsApp. 90 Prozent aller Tandems hatten den Dienst auf ihren Handys installiert und kommunizierten während der Woche direkt mit uns in der Aktionszentrale. Wir freuten uns über den User-Generated-Content für die Website. Einziger Wermutstropfen: Wir mussten die Clips händisch über das Backend der Seite einpflegen.

Merkposten: Für die Kommunikation mit Freiwilligen solltest du auf Standard-Apps zurückgreifen.

DM toppt PM
(oder: Medienarbeit ist längst sozial)

Uns war klar: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Patenschaften durch unsere Aktion in ihrer Jobsuche weiterbringen, steigt, wenn wir unsere Filterblase durchstechen. Das versuchten wir durch einige PR-Maßnahmen, unter anderem mit der klassischen Auftakt-Pressemeldung (PM). Die fand ihren Weg tatsächlich in die Nachrichten von Deutschlands reichweitenstärksten Radio-Sender SWR3 – aber sonst blieb sie weitgehend ohne Resonanz.

Deshalb setzten wir hier auf direkte Kommunikation über soziale Netzwerke. Direktnachrichten (DM) an die Verantwortlichen der Twitteraccounts überregionaler und lokaler Zeitungen, anderer NGOs oder Politiker(innen) sowie Postings in Facebook-Flüchtlingsgruppen brachten dagegen die gewünschte Resonanz. Hier ein Retweet, dort ein eigener Post oder ein Like – immer aber eine freundliche und direkte Antwort auf unsere Anfrage.

Merkposten: Soziale Medien ermöglichen den direkten Kontakt zu Journalisten und anderen Entscheidern.

Im Rahmen der Aktion haben wir auch mit Facebook-Live experimentiert. Hier lest ihr unsere Erfahrungen für Einsteiger und Fortgeschrittene.

1 Comment

  1. Interessanter Beitrag. Gut gefällt mir der Ansatz, andere bei der Aktion mit ins Boot zu nehmen bzw. eine “offene Plattform” für’s Mitmachen zu schaffen. Das war ja auch von Anfang an eine Hoffnung, die mit den sozialen Medien verbunden war, dass die klassischen Wohlfahrtsverbände sich damit stärker mit der Zivilgesellschaft vernetzen können. Ob sich dieser Gedanke an der Basis flächendeckend durchgesetzt hat?

    Zum Thema: “die Kollegen als Flaschenhals” – wahrscheinlich lässt sich dies verhindern, wenn man eine solche Aktion bottom-up plant und so an der Basis gar nicht erst das Gefühl entstehen kann, dass hier die Bundeszentrale den Arbeitsdruck durch eine zusätzliche Aktion noch vergrößert. Erfahrungsgemäß ist es doch so: wer selber etwas mitgeplant hat, identifiziert sich stärker mit einer Aktion und baut sie eher in das Tagesgeschäft ein, obwohl sich die Arbeitsabläufe verdichtet haben.

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