Im Mittelalter der EDV angekommen (Teil II)

Oder: Kein Mensch sprach von „digitaler Transformation“, aber viele ahnten es und auch deshalb brauchte es eine gute Argumentationsstrategie.

Nachdem die technische Grundversorgung mit Macs, PCs und Internetanbindung weitestgehend erledigt war, wir uns ambitioniert durch jede neue, noch schnellere Prozessor-Generation durchgekauft und von Windows-Version zu Windows-Version „upgegraded“ hatten, kann man vielleicht von einer Art „Morgenröte der Digitalisierung“ sprechen.  Jeder, der irgendwie im Internet unterwegs war, glaubte zwar noch, dass der virtuelle Erdkreis eine Scheibe sei, aber die ersten Propheten, die die digitale Kugel verkündeten, waren auch schon auf dem Plan.

Mühsamer Fortschritt

(CC) Achim Hepp

Komplexe Kabelkombinationen (CC: Achim Hepp)

Dafür nahm die Skepsis spürbar zu. Wofür brauche man überhaupt so eine Homepage? So langsam machte der Fortschritt nämlich keinen Spaß mehr: die Kosten für den Aufbau von LAN-Netzwerken waren nicht unerheblich. Und statt Arbeit effizienter gestalten, um Zeit und Geld sparen zu können, brauchte man plötzlich Administratoren, die sich mit den ganzen Kabeln, die man mühselig und teuer in die Wände gefräst hat, auskannten.  Aus der zunächst positiven Kosten-Nutzen-Rechnung wurde plötzlich ein Kostenfaktor, der mancher Kauffrau ein beharrliches „Nein“ ins Gesicht zauberte, wenn ich mal wieder mit einer neuen Idee aufschlug, wofür man dieses Internet noch alles brauchen könne. Kurz: die Epoche der postmodernen Technik-Junkies, die sich schnell für jede Innovation begeistern ließ, endete abrupt, als diese Ressourcen forderte, deren Nutzen nicht mehr ganz so offensichtlich auf der Hand lag.

Organisationsentwicklung als Trojanisches Pferd

Ich gebe zu, es war  auch nicht ganz so einfach, diesen Nutzen (zumal aus Sicht eines Menschen, der als „Öffentlichkeitsarbeiter“ ohnehin täglich seine Daseinsberechtigung neu unter Beweis stellen musste) zu vermitteln. Wahrsagerei? Entwicklung von Visionen? Thesenpapiere? – Gut, dachte ich mir, das alles lässt sich ein bisschen seriöser als „Organisationsentwicklung“ tarnen. Und die hatte glücklicherweise gerade Hochkonjunktur: wer nicht an einem Leitbildprozess arbeitete oder wenigstens plante, galt in der NGO-Szene als ziemlich uncool. Begriffe wie „Mission Statement“ als Grundlage für neue Policies einer nachhaltigen Entwicklung mit professionellen Methoden, die einer Idee und nicht der Ökonomie (jedenfalls nicht nur) folgten, veränderten den Sprachgebrauch ehemals langhaariger Sozialpädagogik- oder Wirtschaftswissenschafts-Studenten.

Plötzlich gab es auch wieder die Bereitschaft, Geld für Zukunftstechnologien auszugeben (selbst Öffentlichkeitsarbeiter brauchten nicht mehr jeden Tag zu erklären, warum sich Kommunikation an den Haltungen von Dialoggruppen orientieren und mehrdimensional sein muss, damit sie Erfolg hat). Über diesen „Trick“ ist es übrigens bis heute noch möglich, Widerstände zu überwinden – und die Etablierung neuer Technologien zu forcieren. Denn digitaler Wandel meint vor allem eines: Entwicklung. Und da mag niemand so wirklich „gegen“ sein ;-).

Im 1. Teil dieser Serie ging es um den Digitalen Urknall, der mit quakenden Modems den Siegeszug der EDV einläutete.

Der dritte und letzte Teil der Serie erklärt, dass es ohne Digitalisierung keine Zukunft gibt.

Martin FuchsDer Autor ist Pressesprecher und Leiter der Unternehmenskommunikation der BBT-Gruppe.

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