… würde die nicht mit dem Menüpunkt „Über uns“ beginnen. Ein Workshop des CariNet zeigt, was sonst noch alles anders wäre, wenn bei der Entwicklung der Webseiten nur die Nutzerperspektive zählt.
Für drei Tage kamen Redakteurinnen und Redakteure verschiedener Caritasverbände nach Freiburg, um sich der perfekten Ortsverbandswebsite zu widmen. Was sie eint: Alle betreuen Hilfsangebote und haben direkten Kontakt zu Klienten, Patienten oder Kunden. Denn um die und deren Sicht ging es beim Workshop des CariNet mit der Agentur re-lounge.
Die häufigste Ursache für schlechte Websites liegt in der fehlenden Nutzerperspektive. Inhalt und Aufbau orientieren sich an der Binnensicht des Unternehmens oder der Organisation. Typische Merkmale sind:
- Die Hauptnavigation beginnt mit „Über uns“
- Angebote sind nach internen Strukturen und Geschäftsbereichen des Unternehmens kategorisiert und sortiert
- Die Homepage ist überfüllt mit Informationen, die allen Stakeholdern der Organisation gerecht werden und „irgendwie“ alle Bereiche abbilden
- Die Website und alle Marketing-Maßnahmen senden die Botschaft: „Wir sind so toll, weil …“
Wer solche Websites aus dem Blickwinkel der Nutzer betrachtet, bemerkt schnell, dass hier etwas falsch läuft.
Die Volksbank wählt einen anderen Zugang. Unter der Überschrift „Bei welchen Zielen können wir Sie unterstützen?“ bieten sie einen kundengerechten Einstieg in ihr Angebot. Am Ende geht es auch hier darum Produkte zu verkaufen – ein Schelm der hinter „Erster Job“ nicht Angebote zur Absicherung von „Berufsunfähigkeit“ und ähnliche Leistungen vermutet. Aber zunächst einmal werden die Nutzerinnen und Nutzer in ihrer jeweiligen Situation und bei ihren Bedürfnissen abgeholt.
Oft fehlt ein schneller Zugang für Hilfesuchende
Auch bei Websites der Caritas lassen sich rasch Probleme identifizieren, weil diesen die Nutzerausrichtung fehlt:
- Da beginnt die Navigation mit “Der Verband”,
- der Vorstand begrüßt die Besucher auf der Startseite,
- es werden Handlungsfelder aufgeführt statt Hilfsangebote,
- die Namen der Einrichtungen sind für Klienten nicht selbsterklärend.
Häufig tauchen in Selbstdarstellungen alle Träger auf, der Kunde erhält aber wenig Informationen über das eigentliche Angebot der Einrichtung. Das muss aber im Vordergrund stehen. Wer alles involviert ist, kann auf der Detailseite erwähnt werden – auch wenn dies „politisch“ sicher nicht gerne so gesehen wird.
Auch übervolle Kontaktboxen irritieren Nutzerinnen und Nutzer: Wen soll ich anrufen, wenn ich Hilfe suche? Die Zentrale? Die Fachbereichsleitung? Darf ich den Leiter überhaupt direkt anrufen? Oder lieber das Sekretariat? Aber können die mich beraten oder nur Termine vereinbaren? Also doch der Leiter? Oder wimmelt der mich dann nur ab?
Die Beispiele stehen exemplarisch und ließen sich fortsetzen. Eine Umgestaltung, die konsequent die Nutzerperspektive verfolgt, ist bei vielen angesagt – und sie lässt sich verwirklichen. Der Schlüssel hierzu ist, ein Verständnis für die Nutzer zu entwickeln. Die Verantwortlichen müssen sich so in die Nutzer hineinversetzen können, dass sie die Welt aus deren Warte, aus deren Augen sehen können. Die momentan beste Methode hierzu bietet die Kombination aus Persona-Analyse und Customer-Journey-Analyse.
Susi, 44, verheiratet und überschuldet
Aus der schier endlosen Menge potenzieller Zielgruppen der Caritas wählten die Teilnehmer des CariNet-Workshops einige aus und entwarfen für diese Personas. Wie zum Beispiel Susanne:
Anschließend entstanden die jeweiligen Customer Journeys zu den Personas.
Auf dieser Basis entwickelten die Teilnehmer relevante Inhalte für die Personas und strukturierten diese grob.
Außerdem skizzierten wir gemeinsam eine optimierte Startseite für einen Caritas Ortsverband.
Die Workshop-Ergebnisse dienen dem CariNet als Basis für die Analyse weiterer Personas und Customer Journeys sowie zur Ausarbeitung und Optimierung der entsprechenden Hilfsangebote und Websiteinhalte. Keine leichte Aufgabe bei mehr als 600 Ortsverbänden.
Aber ein wichtiger Start mit dem Ziel am Ende eine ideale Ortsverbandswebsite zu schaffen, die als „Blaupause“ für jeden Ortsverband dienen kann. Und mit der die Redaktionen den beteiligten Entscheidern und Führungsgremien vor Augen führen können, dass die Nutzerinnen und Nutzer im Vordergrund stehen und nicht die institutionsinternen Strukturen, Vertreter oder Botschaften, die einem politischen oder journalistischem Zweck dienen.
Websites für Menschen schaffen – nicht für Organisationen
Im Rahmen einer detaillierten Zielgruppenanalyse sind die Persona-Analyse und die Customer-Journey-Analyse wichtige Werkzeuge um ein detailliertes Verständnis der Nutzerinnen und Nutzer zu erhalten und Empathie für die User zu entwickeln. Dies bildet die Grundlage für ein erfolgreiches „User Centered Design“, also eine Website, bei der die Nutzerinnen und Nutzer nicht nur Randfiguren des eigenen Ego-Marketings sind, sondern im Zentrum des Interesses stehen. Damit kreieren wir einzigartige Nutzererlebnisse – neudeutsch „Customer Experience“: erfolgreiche Websites, die für Menschen gemacht sind und nicht für Organisationen oder Institutionen. Unsere Nutzerinnen und Nutzer werden es uns danken.
Über den Autor
Oliver Schmitt ist Gründer und Geschäftsführer der Digitalagentur re-lounge GmbH und lebt das Web seit dem Beginn seines Medieninformatikstudiums Mitte der 90er Jahre. Bei re-lounge ist er u. a. für die Strategieberatung der Kunden verantwortlich. Seine Schwerpunkte sind Customer Experience Management, Digitale Transformation, Mobile und Online-Marketing, zu denen er auch als Speaker auf Konferenzen aktiv ist. Seit 2014 ist er zudem Dozent an der Hochschule Furtwangen University. Er twittert unter @oliverschmitt und bloggt auf www.nurguteseiten.com.