Wohnungslos und WLAN-los? Digitale Teilhabe und die Störerhaftung

Zugang zum Internet ist heute kein Luxus und weit mehr als Freizeitbeschäftigung. Aber nicht alle können sich jederzeit 4G und 5G Ausstattung leisten und darüber beliebige Datenmengen versenden. Gerade Menschen, die “am Rand” der Gesellschaft unterwegs sind, sind daher auf WLAN-Netze angewiesen: Emails an Behörden, Messenger-Dienste für den Kontakt zur Familie im Ausland bei Geflüchteten, Online-Beratung bei der Caritas für Wohnungslose, Plattformen für die Wohnungssuche, Teilhabe am sozialen (Online)Leben bei Jugendlichen – und nicht zuletzt die mit enormem Aufwand betriebene Modernisierung der deutschen Verwaltung über das Onlinezugangsgesetz.

Wie funktioniert Freifunk und ein Mesh-Netzwerk und wie könnte die Caritas das nutzen - Jochim Selzer macht das mit zwei Routern anschaulich
Jochim Selzer erläutert Freifunk beim Online-Austausch mit der KAGW

Die Caritas ist da, um Menschen zu mehr Teilhabe zu verhelfen und das schließt digitale Teilhabe ein. Ohne Zugang keine digitale Teilhabe. Das ist schon lange eine sozialpolitische Position der Caritas. Der Staat ist zur Daseinsfürsorge für seine Bürger:innen verpflichtet und muss daher selbst für den digitalen Zugang (auf den er im OZG ja bauen will) sorgen. Das heißt z.B. auch, für angemessene Regelsätze zu sorgen. Dafür tritt die Caritas politisch ein.

Caritas ist verpflichtet, offenes WLAN anzubieten

Bis das verbessert ist, muss die Caritas aber selbst tatkräftig Hilfe leisten. Und so wird die Bereitstellung von offenem oder wenigstens so niedrigschwellig wie möglich nutzbarem WLAN zur Verpflichtung für alle Caritas Einrichtungen.

Offensichtlich scheitert das noch viel zu oft. Gründe dafür sind:

  • WLAN ist in den Einrichtungen grundsätzlich wenig vorhanden
  • EDV ist unterbesetzt
  • Offenes WLAN ist im Angebot des externen technischen Dienstleisters
  • Es gibt Bedenken wegen Störerhaftung bzw. – korrekter – “Täterhaftung”. Einerseits: Das ist tatsächlich das größte Hindernis. Andererseits: Es gab bereits, aber sehr selten, digitale Straftaten in Einrichtungen.

Furcht vor rechtlichen Folgen

Wie Moritz Bross aus dem Projekt “Cloud für Wohnungslose Menschen” der AGJ Freiburg berichtet, ist die Furcht, bei Rechtsverstößen haften zu müssen, oft der zentrale Punkt.

In einer kurzen Online-Konferenz der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (KAG W) kamen in der Diskussion mit Jochim Selzer (Freifunk / ChaosComputerClub) folgende mögliche Lösungen in den Blick (das ist keine Rechtsberatung und keine technische Anleitung):

  • Vorschaltseite zur Registrierung (wie Godspot, Hotelseiten, bahn, … – dazu gibt es auch Komplettangebote von Dienstleistern) – braucht (einfaches) Datenschutzkonzept für Registrierungsdaten (aber deutlich weniger umfangreich als bei Nutzerkonten)
  • Freifunk (inkl. VPN Tunnel ins Ausland) – nicht für alle Nutzungsarten geeignet (nicht für große Datenmengen geeignet), kein zuverlässiger Support (im Sinne von vereinbarter Verfügbarkeit etc. ) da Freiwilligenprojekt
  • Nutzerkonten: erhöhter Datenschutzaufwand, weil die Liste der Nutzer geschützt, mit Löschkonzept versehen werden muss, etc. — wenn überhaupt, dann eher in der stationären Nutzung, hochschwellig, erhöhter Verwaltungsaufwand
  • Tickets/Einmalpasswort, das mit Namen registriert wird. Allerdings hoher administrativer Aufwand, s. zuvor

Tipps zum Umgang mit rechtlichen Fragen bei offenem WLAN

Mittelfristig ist zu klären, ob jenseits von Privatpersonen Einrichtungen überhaupt haften. Da die Rechtslage hier nicht ausreichend scharf ist, setzt das die Bereitschaft zu einem Rechtsstreit voraus. Die bisher bekannten Urteile haben zwar (beabsichtigt oder nicht) abschreckende Wirkung – sie scheinen aber so selten zu sein, dass sie in der Politik/Legislative zwar “beobachtet” werden, aber noch zu wenig Handlungsbedarf gesehen wird.

Jochim Selzer hat eine sehr hilfreiche Stoffsammlung Störerhaftung zusammengestellt.

In einer weiteren Tagung der BAG Wohnungslosenhilfe am 20./21.6.2022 wurde von juristischen Experten die Position vertreten, dass die Täterhaftung (nur) dann ein Risiko darstelle, wenn man nicht glaubhaft machen könne, dass viele andere Personen den fraglichen WLAN Zugang nutzen. Bei Caritas Einrichtungen ist aber ja gerade das Gegenteil die Absicht, WLAN soll ja gerade für die Nutzung durch viele installiert werden. In einer solchen Situation kann man sich dann im Falle einer Abmahnung dann auf §8 TMG berufen (ggf. mit Hilfe eines/einer Anwält:in)

Wie sieht es bei euch aus: Habt ihr einfach zugängliches WLAN für Gäste und Klient:innen?

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