70 Social-Media-HeldInnen, zehn Sessions, zwei Keynotes – und ein Überraschungsgast: Zum dritten Mal haben sich Social-Media-Manager der Caritas zu einem zweitägigen Workshop in Siegburg getroffen. Was dabei herauskam – und wo der Schuh drückt, erfahrt ihr in unserer großen Review:
1. Wir sind nicht alleine – doch fast immer zu wenige …
Im Vorfeld haben sich die Teilnehmenden vor allem eines gewünscht: Möglichkeiten des Austauschs – und davon gab es vom 19. bis 20. September 2019 in Siegburg viele. Eine – wenig überraschende, aber wesentliche – Erkenntnis: Die Voraussetzungen für die Social-Media-Arbeit in der Caritaswelt sind extrem unterschiedlich. Während sich einzelne Verbände die Vollzeitstelle eines Social-Media-Managers leisten und Fachleute für Online-Marketing bezahlen, wird andernorts Social Media mit wenigen Stellenprozenten oder ganz nebenher zur “klassischen“ Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gemacht.
Die Folge: Viele Social-Media-Held(inn)en sind Einzelkämpfer(innen), haben selten die Möglichkeit sich redaktionell abzustimmen, professionelle Kanalpflege zu betreiben oder datengetriebene Analysen der eigenen Social-Media-Aktivitäten durchzuführen. Es mangelt an den nötigen Ressourcen für eine immer aufwändigere und wichtigere Arbeit. Immerhin sind Plattformen wie Facebook, Instagram und YouTube inzwischen reichweitenstärker als jede Zeitung, das Fernsehen und der Rundfunk zusammen. Umso wichtiger, dass sich bei #SocialCariMedia in einem analogen Raum Gleichgesinnte über besseres vernetztes Arbeiten austauschen konnten.
2. Caritas-Digital – das Blog als Trend-, Best-Practise- und Austauschplattform?
In vielen Sessions wurde deutlich, dass die Teilnehmenden sich einen Ort wünschen, an dem sie voneinander lernen, Praxis-Erfahrungen austauschen und über Trends und Entwicklungen – auch in Sachen Datenschutz – informiert werden. Dass dieser Ort in der digitalen Welt verwurzelt sein muss, versteht sich von selbst. Und er existiert schon. Die Rede ist von diesem Digital-Blog. In einer eigenen Session ging es daher darum, wie wir den Blog intensiver bespielen können. Derzeit wird es von Martin Herceg aus dem Deutschen Caritasverband betreut, der sich darüber freut, weitere Admins, Moderatoren und Autoren zu finden, die regelmäßig am Blog arbeiten.
Die Herausforderung: Der Blog muss innerhalb der Caritas bekannter werden. Das Ziel: Jeder und jede, der oder die das Gefühl hat, etwas im Bereich Social Media getan zu haben oder vor einer Frage steht, die andere interessieren könnte, sollte automatisch an den Blog denken und dort sein Wissen, seine Beobachtungen oder Fragen veröffentlichen.
3. Was ist Erfolg im Social Web?
Ab wann kann man im Social Web von Erfolg reden? In seiner Keynote zu diesem Thema machte Social-Media-Experte Gero Pflüger klar, wie wichtig es ist, sich differenziert mit den Statistiken der eigenen Kanäle und Beiträge in den sozialen Netzwerken auseinanderzusetzen. Es geht laut Pflüger nicht darum, wie viele Follower ein Kanal und wie viel Reichweite ein Beitrag hat. Vielmehr müssen die statistischen Einzelwerte in Relation gebracht werden, um wirklich aussagen zu können, was gut funktioniert und was nicht. Wie das funktioniert und warum Facebook mit einem Burger-Grill in Frankfurt vergleichbar ist erfahrt ihr im Video.
4. Datenschutz und Social Media
Müssen wir bald unsere Facebook-Fanseiten löschen? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Social-Media-Held(inn)en in der Caritas. Nachdem krankheitsbedingt der Stage-Talk mit Patricia Romanowsky von der CDU/CSU Bundestagsfraktion abgesagt werden musste, sprang zu Beginn des zweiten Workshoptags kurzfristig der Datenschutzbeauftragte des Deutschen Caritasverbandes Ziar Kabir mit seinem Kollegen Matthias Jäckel ein.
Gemeinsam erklärten die Anwälte, wie mit den jüngsten Gerichtsurteilen zu Fanseiten auf Facebook umzugehen ist – und welche Risiken Seitenbetreiber berücksichtigen müssen. In einem gesonderten Beitrag haben wir die Ergebnisse des Vortrags inklusive Mustervorlage für eine KDG-konforme Datenschutzerklärung zusammengefasst. Den Beitrag findet ihr hier.
5. Ein Tool für Alle(s)?
Wer schon einmal mehrere Social-Media-Kanäle gleichzeitig betreuen musste weiß, dass es nicht einfach ist immer den Überblick zu behalten. User-Kommentare und Erwähnungen können schnell übersehen werden. Außerdem ist es sehr zeitaufwändig Content über jeden Kanal einzeln zu publishen und zu planen. Viele Kollegen arbeiten derzeit mit Excel-Listen und händischen Redaktionsplänen.
Einfacher wird es, wenn das Social-Media-Management über ein zentrales Tool läuft, das Community-Management, Publishing, Advertising, Analyse und Social-Media-Listening beinhaltet. Zu #SocialCariMedia haben wir zwei Tool-Anbieter (SocialHub und Facelifit) eingeladen, die ihre Tools vorgestellt und die Möglichkeiten aufgezeigt haben, wie wir als Caritas über Verbandsgrenzen hinweg in selbst-organisierten Teams darin arbeiten können.
In den Sessions mit den Tool-Anbietern wurde deutlich, dass sich viele vorstellen können, künftig ihre Social-Media-Arbeit mit einem Tool zu erledigen. Auch die Möglichkeit Content zu teilen mit anderen Teams und sich im Community-Management gegenseitig zu unterstützen kam gut an. Der Casus knacksus bleibt jedoch der Preis. Nur wenige Verbände können oder wollen es sich derzeit leisten, mehrere Hundert Euro im Monat für die Nutzung eines solchen Tools auszugeben.
Der Deutsche Caritasverband, der seit Jahren seine Social-Media-Aktivitäten über externe Tools steuert und betreut, holt bis Ende 2019 Angebote verschiedener Anbieter ein und wird ab 1. Januar 2020 ein Social-Media-Tool nutzen, das beliebig weiter skaliert werden kann, so dass künftig alle Gliederungen, die Möglichkeit haben gegen Gebührenzahlung ins neue Tool integriert zu werden. In diesem Blog werden wir euch hinsichtlich der Entscheidung und Entwicklung auf dem Laufenden halten und euch im kommenden Jahr erklären, was ihr tun müsst, um auf den Zug aufspringen zu können.
6. Neue Mitarbeiter(innen) finden mit Facebook und Co.
Wenn die Stühle bei einer Session nicht reichen, spricht das dafür, dass das Thema den Nagel auf den Kopf trifft. Recruiting via Social Media ist für viele innerhalb der Caritas noch ein Experimentierfeld, in Zeiten des Fachkräftemangels aber ein immer wichtiger Zugang zu potenziellen neuen Kolleg(inn)en. Dass der unter bestimmten Bedingungen funktioniert, zeigte Andrea Michels von der Caritas Köln mit Beispielen aus ihrer Praxis. Dabei wurde schnell klar: Die Postings für freie Stellen auf Facebook oder Instagram sind gestalterisch weit von dem entfernt, was der Verband bislang in Printmedien veröffentlicht. Sie zeigen Menschen in Aktion, haben wenig Text und machen neugierig. Immer getreu dem Ansatz: Show, don’t tell. Die Postings sollen im bunten und schnellen Umfeld der jeweiligen Kanäle auffallen und im Idealfall zum Klicken, Kommentieren oder Anrufen auffordern. Das direkte Feedback auf Kommentare von Usern – zum Teil sogar von den Leitungen der beworbenen Einrichtung – signalisiert neben einem hohen Maß an Professionalität vor allem eines: Du bist uns wichtig! So gelang es der Caritas in Köln zum Beispiel, eine Erzieher(innen)-Stelle mit jemand zu besetzen, der eigentlich gar nicht auf Jobsuche war.
Solche Erfolge fallen allerdings auch in sozialen Medien nicht vom Himmel. Neben der schnellen (!) und persönlichen Beantwortung von Userfragen ist im Vorfeld wichtig, die Inhalte über ein Targeting an potenzielle Interessent(inn)en auszuspielen. Das kostet Geld, die notwendige Summe liegt aber weit unter dem Preis für eine Anzeige im Stellenmarkt der Zeitung. Darüber hinaus ist der Streuverlust gering, weil die Userprofile mittlerweile sehr differenziert auswählbar sind. Ein weiteres Learning: Alles läuft besser, wenn die Verantwortlichen und die Mitarbeitenden in den Einrichtungen und Diensten mitziehen. Die besten Erfolge erzielen die Kölner mit kleinen Videos, die mit jüngeren Mitarbeiterinnen an ihrem Arbeitsort gedreht wurden. Sie ermöglichen Interessent(inn)en einen authentischen und lebendigen Eindruck von dem, was sie tun und wie das Team unterwegs ist – und sagen damit mehr aus als formelhafte Worthülsen in der Stellenanzeige unter der Überschrift “Wir bieten”.
7. Social-Media und die AVR: kann das gut gehen?
Social-Media-Kanäle sollten Dienste, Verbände oder Einrichtungen nur betreiben, wenn sie dafür auch Ressourcen zur Verfügung stellen: Personalressourcen und auch ein Budget, um beispielsweise Software, Bilder, Grafiken, etc. einkaufen zu können. Nur mal schnell nebenher: das läuft für alle Beteiligten nicht zufriedenstellend. Posten und Twittern kann man ja durchaus während der Arbeitszeit und dann zeitversetzt am Abend ausspielen. Aber der Zielgruppe kann man nicht vorschreiben, wann sie in den Social Medias unterwegs sind. Wer dann tagelang auf Antworten von uns warten muss, wird nicht mit uns zufrieden sein. Auch sind wir verpflichtet, unsere Kanäle zeitnah zu überwachen.
Gertrud Rogg, die das Referat Medien im Deutschen Caritasverband (DCV) leitet, erläuterte in ihrer Session, wie in Freiburg derzeit mit dieser Thematik umgegangen wird. So herrscht im DCV das Vier-Augen-Prinzip: jeder geplante Beitrag wird von einer anderen Person freigegeben. Das hat sich bewährt. Außerdem gibt es einen Tagdienst: diese Person beobachtet neben der Arbeit mittels Monitoring-Tool, was auf unseren Kanälen gepostet wird und reagiert darauf bei Bedarf. Wer Tagdienst hat, schaut i. d. Regel abends gegen 21 Uhr nochmals ins Tool rein. Am Wochenende hat beim DCV von Freitag- bis Sonntagabend eine Person “Dienst”. Derzeit speisen sich die Dienste aus einem Team von sechs Leuten, man hat also alle 6 Wochen “Dienst”. Zu Kampagnen (z.B. Aktion Türöffner, Wählt Menschlichkeit) wurde das Tag- Abend- und WE-Team durch Freiwillige aus dem DCV und dem bundesweiten Verband erweitert.
Für das ganze Handling wurde in Freiburg eine Abmachung mit der MAV getroffen: Die Abend- und WE-Zeiten werden in den Stundenzettel eingetragen und mit Zuschlag (20 bis 6 Uhr, sonntags ganztags) nachträglich vergütet auf der Basis von der AVR, Anlage 5, §7. Es handelt sich laut Rogg nicht um einen Bereitschaftsdienst, sondern um Überstunden, da die Mitarbeitenden nicht an einer bestimmten Stelle sein müssen, sondern sich von überallher einloggen können. Die Einloggzeit kann frei gewählt werden – sollte sich aber an den Peaks der Kanäle orientieren (WE: ca 10 Uhr und 22 Uhr).
Die Diskussion in der Session hat gezeigt: gerade jüngere Mitarbeitenden haben Lust in sozialen Netzwerken zu arbeiten, aber viele Verbände stellen nicht einmal die Infrastruktur zur Verfügung, z.B. die Möglichkeit während der Dienstzeit auch in den SoMe-Kanälen unterwegs zu sein oder überhaupt einen Kanal einzurichten. Auch wird oft noch verkannt, dass man hier den Mitarbeitenden vertrauen muss: wer erst seine Vorgesetzten fragen muss, was geantwortet werden darf, hat verloren. das Medium braucht ein anderes Tempo.
8. Muss Caritas überhaupt im Social Web mitmischen?
Nicht das Wer, Wie und Was war das Thema der Session von Kerstin Stoll (Onlineredakteurin vom DCV), sondern das Warum. Und darüber kamen alle Teilnehmenden ins Diskutieren. Warum sich in endlose Facebook-Debatten ohne jede Diskussionskultur reinhängen, wo doch klar ist, dass Populisten und Hater sowieso nicht umzustimmen sind? Muss die Caritas die Welt auch in den sozialen Netzwerken retten, wo sie doch gar nicht gerettet werden will?
Dass Social Media ein Zeitfresser ist, darin waren wir alle einer Meinung. Die zweite Überzeugung aller in der Runde war: SoMe-Kanäle sollten nur betrieben werden, wenn die Mittel dazu da sind. Soll heißen: Personal und Know-how. Und nicht zu vergessen: Eine Vision. Lieber keine SoMe-Auftritte, als schlecht Gemachte, die ohne Ziel und Verstand nebenher betrieben werden.
Leider gibt es solche Kanäle im Caritas-Kosmos viele. Einerseits verständlich, weil eine (auch in dieser Session) unbestritten wichtige Caritas-Maxime lautet “Wir wollen auch online nahe bei den Menschen sein”. Andererseits: Den Menschen nahe kommen kann man als “verbandlicher” SoMe-Kanal nur, wenn man ihn strategisch, zielgruppenorientiert und kompetent füllt. Und zwar kanalspezifisch, und je nachdem ausgerichtet auf so unterschiedliche Ziele wie Community-Aufbau, Imagepflege, Stärkung der Markenbekanntheit, Solidaritätsstiftung oder Job Recruiting.
Fazit: Die Caritas muss im Social Web mitmischen, nichts rechtfertigt ein Schweigen des größten Wohlfahrtsverbands im Netz. Aber: Nicht jede einzelne Gliederung muss mit eigenen Kanälen dabei sein. Im Gegenteil: Das könnte sogar ein Hemmnis für die Schlagkraft der Caritas nach außen sein, da deren komplexe Struktur für Außenstehende nicht verständlich ist. Mitmischen geht auch sehr gut ohne eigene Social-Media-Kanäle. Indem man auf anderen Kanälen mitdiskutiert und sich als Stimme der Caritas einbringt.
9. Input vom Überraschungsgast: Menschen ertragen – auch im Netz
Den Abschluss des ersten Workshoptags machte ein Überraschungsgast: Schwester Teresa, mit bürgerlichem Namen Teresa Zukic, die als skateboardfahrende Nonne durch unzählige Auftritte im TV bekannt wurde. Von der ehemaligen Leistungssportlerin zur deutschlandweit bekannten Nonne – in ihren einleitenden Worten beschrieb sie ihren Weg unter dem Lebensmotto „Jeder kann die Welt ein bisschen positiv verändern“.
Der Titel ihres mitreißenden Vortrags „Jeder ist normal bis du ihn kennst – von der spirituellen Kraft, Menschen (im Netz) zu ertragen“. Im Kern ging es ihr darum, dass im Umgang mit anderen Strategien wie Vergebung, Perspektivwechsel, Hoffnung und Gottvertrauen wertvoll sind – vor allem aber eine humorvolle Lebenseinstellung. Diese trage dazu bei, dass wir uns nicht mehr permanent kränken lassen und andere nicht mehr für unser Unglücklichsein verantwortlich machen – auch im Netz. Ihre Liebe zu Gott beflügle sie und gebe ihr Kraft, die Dinge positiv zu sehen und zu verzeihen. Mit diesen Worten machte sie nachhaltig Eindruck und sorgte beim anschließenden Cocktailempfang der neuen caritas für einigen Gesprächsstoff.
10. Mehr Vernetzung – weniger Bedenken
Du hast den gesamten Blogeintrag bis hier durchgelesen? Wow. Dann bist Du für uns ein(e) echte Social-Media-Held(in). Unser Wunsch: Bring Dich ein, teile Deine Erfahrungen, stelle Fragen und bringe andere zum Nachdenken. Das kannst Du zum Beispiel in unserer Caritas|digital-Gruppe auf Facebook tun. Wenn Du da noch nicht dabei bist, melde Dich doch gleich an. Warum das so wichtig ist? Weil das was wir anfangs geschrieben haben nur zum Teil stimmt: Ja, es könnten immer noch mehr Leute sein, die für die Caritas in sozialen Medien engagiert sind. Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass der eine oder die andere unbemerkt von der Verbandsöffentlichkeit richtig spannende Sachen macht. Valentina Rätz von der Caritas im Erzbistum München Freising stellte bei der Tagung zum Beispiel zwei Apps vor, die auch für andere skalierbar sind. In Osnabrück hat die Caritas eine “Anpacker-App” gelauncht, in … Denkt dran: Sharing is caring!
Fotogalerie: Das war #SocialCariMedia 2019
Deutscher Caritasverband e.V. / SocialCariMedia / 19. und 20.09.2019 / Siegburg © Offenblen.de/Sarah Larissa Heuser
Autoren: Gertrud Rogg, Martin Herceg, Marc Boos, Kerstin Stoll, Annette Nogger
Ein herzliches Dankeschön an die Kollegen/innen für diesen informativen Beitrag, für Nicht-Teilnehmer der Veranstaltung eine gute Sache. Die Komplexität des Social Media-Themas wird wieder sehr deutlich.