„Lernende Systeme in der Beratung“ – Ideen für den konkreten Einsatz

Im Januar haben wir das Projekt zu datenbasierter Unterstützung der Beratung vorgestellt. Seitdem ist viel passiert und die interessantesten Lernergebnisse über Lernende Systeme in der Beratung teilen wir hier mit Ihnen.

Nutzer_innenforschung

In Gesprächen mit Berater_innen und Fachreferent_innen aus unserem Fokusbereich Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer_innen (MBE) haben wir uns auf die Suche nach häufig auftretenden, zeitaufwendigen Tätigkeiten mit viel Klärungsbedarf begeben. Wir hielten Ausschau nach Problemen, die eine automatisierte Technologie lösen könnte, welche durch die Nutzung von Daten die eigene Performanz immer weiter verbessern („lernen“) könnte. Gefunden haben wir eine Reihe von spannenden Szenarien:

Die Automatisierte Terminpriorisierung – Um bei der Organisation von Beratungsterminvergaben zu unterstützen, macht ein System Vorschläge für die Kategorisierung, Priorisierung und Terminierung von Beratungsanliegen aus verschiedenen Anfragekanälen (Online-Beratung, E-Mail, Telefon, Post, Vor-Ort-Besuch …). Anhand von grundlegenden Fragen oder durch Natural Language Processing (eine Technologie zum Textverständnis) wird die Fachrichtung, die Dringlichkeit und die Komplexität der Beratungsanfrage eingeschätzt. Das System gibt daraufhin eine Handlungsempfehlung aus, zum Beispiel zur Vergabe eines konkreten Termins (mit bestimmter Dauer) oder Weitervermittlung an eine vorgeschlagene Kollegin. Die Ergebnisse des Algorithmus sind dabei stets Vorschläge und werden von Berater_innen bewertet. Durch dieses Feedback können die Ergebnisse des Systems immer genauer werden.

Der Virtuelle Empfangstresen ist ein System, das Ratsuchenden direkt helfen kann, in der jeweils eigenen Sprache schnelle Lösungen für Ihre einfachen Fragen und Probleme zu finden. Reicht das nicht aus, erhalten sie die Adresse der für sie nahe gelegenen Beratungsstelle und ggf. gleich einen Termin. Das System könnte entweder über das eigene Endgerät oder an einem Terminal am Beratungsstandort der Caritas bedient werden. Melden die Ratsuchenden zurück, ob die Vorschläge des Systems hilfreich waren, entsteht dadurch eine Lernschleife, über die der Algorithmus kontinuierlich verbessert werden kann.

Wissensnetz – Damit Beratende jederzeit Zugriff auf aktuelles Wissen und parallele Erfahrungen zu ihrem Beratungsfall haben, kann das CariNet zu einem intelligenten Wissensnetz ausgebaut werden. Wird ein neuer Beitrag eingestellt, schlägt das System automatisch einen Vorschlag zur Kategorisierung vor, um die Auffindbarkeit zu verbessern. Zudem erhalten Suchende Vorschläge zu Inhalten und Personen, die sich mit ähnlichen Themen befassen. Durch die Bewertung der Suchergebnisse und das Anklicken wird der Algorithmus stetig verbessert, sodass die Empfehlungen immer genauer werden und Nutzer_innen noch passendere Suchergebnisse erhalten. Als Erweiterung ist es denkbar, bestimmtes Wissen auf der öffentlichen Caritas-Webseite direkt für Ratsuchende bereitzustellen – vielleicht sogar über einen Chatbot.

Mögliche weitere Ideen, die aber von Berater_innen als potenziell weniger hilfreich eingeschätzt wurden:

Beratungsaufkommen vorhersagen – Das System könnte durch die Auswertung von nicht personenbezogenen Daten aus der Beratungsdokumentation in Zusammenspiel mit öffentlichen Daten wie Sozialstatistiken das zukünftige Beratungsaufkommen vorhersagen. Ein möglicher Einsatz wäre in der Planung von Angeboten oder zum Erkennen von Fortbildungsbedarfen.

Beratungsassistenz – Ein System, welches ähnlich wie ein technischer Fahrassistent Vorschläge für nächste Schritte in der Beratung machen könnte: Eine sinnvolle Frage beispielsweise oder eine mögliche Intervention, die in anderen ähnlich gelagerten Fällen bereits hilfreich war. Grundlage dafür wäre das Zusammenspiel bestimmter Merkmale von Fällen, die aufgrund einer großen Menge an Daten durch den Algorithmus erkannt worden sind und aus denen Vorschläge generiert werden können.

Neue spannende Fragen zwischen Technik und Sozialem

In der Diskussion der Anwendungsfälle haben wir gemerkt: Potenzielle Herausforderungen für die Umsetzung werden erst so richtig deutlich im Detail und liegen oft in der Mensch-Maschine-Interaktion. Es tauchten Fragen auf wie: Können Ratsuchende ihr Anliegen so genau formulieren, dass ein technisches System ihnen wirklich die Ergebnisse ausgeben kann, welche sie sich wünschen? Wie gehen wir bei der Terminvergabe mit Anfragen um, die nicht schriftlich eingehen, weil die Ratsuchenden zum Beispiel direkt in der Tür stehen? Gibt es vielleicht Vorbehalte gegenüber einem Wissensnetz, weil Suchende dazu eine Frage stellen und damit zeigen müssen, dass sie nicht alles wissen?

Das Projekt zielt daher auf eine Tiefenbohrung in einem speziellen Fall ab. Das ist…

Der Expert_innenfinder

Das CariNet könnte zum intelligenten Netzwerkvermittler werden: Angenommen, ein Berater hat einen Fall, der auch ein Rechtsgebiet berührt, welchem er bisher noch nicht begegnet ist. In seinem umliegenden Netzwerk gibt es keine Person, die er kurzfristig dazu fragen könnte. In dieser Situation kann er das CariNet nutzen und die Parameter seines Falls eingeben. Vorgeschlagen wird ihm nun ein Kontakt. Diese Person wurde vom System als Expert_in in diesem Rechtsgebiet erkannt und kann potentiell Zeit zur Beantwortung der Anfrage haben, da er_sie keine laufende Anfrage hat.
Die Identifikation von Expert_innen kann aufgrund von unterschiedlichen Faktoren geschehen: Beispielsweise haben diese Personen bereits Artikel zu der Thematik veröffentlicht oder in der Vergangenheit ganz ähnlich gelagerte Beratungsfälle dokumentiert. Sie könnten auch eine Fortbildung zum Thema besucht haben oder früher in einem dazu spezialisierten Projekt gearbeitet haben. Das System analysiert diese Hintergrunddaten, wenn sie durch die Nutzer_innen freigegeben wurden, und schlägt ihnen vor, dass sie als Expert_innen gelistet werden könnten. Hier liegt die erste Lernmöglichkeit für das System: Stimmt die Person zu, war der Vorschlag passend – lehnt sie ab, nicht. Eine zweite Lernschleife könnte nach der Kontaktierung geschehen: Hier kann das System nach Feedback fragen, ob die Vermittlung hilfreich war.

Das Ergebnis? Die Kompetenz der gesamten Caritas wird besser vernetzt, indem Expert_innen genau dann gefunden werden, wenn sie gebraucht werden – und nicht nur durch den Zufall einer persönlichen Bekanntschaft oder einer schnellen Internetrecherche.

Das intelligente Expert_innennetzwerk

Uns interessiert euer Feedback!

Während wir schon an der Umsetzung eines Demonstrators für den Expert_innenfinder arbeiten, interessieren uns gleichzeitig eure Rückmeldungen: Ist der Expert_innenfinder attraktiv für euch? Welche Fragen würdet ihr einem solchen System stellen? Welche Informationen würdet ihr über euch selbst teilen, um als Expert_innen gefunden zu werden?

Mehr zum Thema “Lernende Systeme und KI in der sozialen Arbeit” gibt es auf der Projektseite unter: caritas-digital.de/projekte/lernende-systeme-in-der-beratung

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